Nasrin Sotoudeh, Staatsanwältin
Nasrin Sotoudeh, Staatsanwältin
Die Menschenrechtsaktivistin und Staatsanwältin setzte sich jahrelang für die Rechte der Frauen, Unterdrückte und insbesondere für Minderjährige, die zum Tode verurteilt wurden ein. Sie wurde im September 2010 wegen Propaganda gegen den Staat und Gefährdung der Sicherheit des Landes, zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nach drei Jahren Haft wurde sie durch eine internationale Menschenrechtskampagne und auf politischen Druck hin freigelassen.
Nasrin Sotoudeh: Irans bekannteste politische Gefangene ist frei!
Nasrin Sotoudeh, die international bekannteste Menschenrechtlerin im Iran, ist seit dem Nachmittag des 18. Septembers 2013 frei. Sie konnte aus dem Evin-Gefängnis in Teheran zu ihrem Ehemann Reza Khandan und ihren beiden Kindern zurückkehren. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Isna wurde Sotoudeh begnadigt – eine schriftliche Bestätigung hat sie nicht erhalten. Ihre Haft bezeichnete sie als physisch, vor allem aber psychisch sehr hart. Sie ist glücklich, wieder bei ihrer Familie zu sein und kündigte an, bald wieder als Anwältin zu arbeiten.
Die Anwältin war seit dem 4. September 2010 in Gefangenschaft. Die Urteilsbegründung aus erster Instanz hatte international Aufmerksamkeit erregt. Das Teheraner Revolutionsgericht verhängte fünf Jahre der insgesamt elfjährigen Freiheitsstrafe gegen Sotoudeh, weil sie in einer im Iran nie gezeigten Videobotschaft kein Kopftuch getragen hatte. Nach internationalen Protesten war die Haftstrafe auf sechs Jahre reduziert worden.
Die IGFM begrüßte das Ende von Sotoudehs willkürlicher Haft als „hochwillkommene aber im Augenblick erst symbolische Geste.“ Ob es in der Islamischen Republik tatsächlich Reformen in Richtung Rechtsstaatlichkeit geben werde, oder ob es sich um eine rein kosmetische Maßnahme des neuen Präsidenten handle, werde die Zukunft zeigen, so die IGFM.
Hintergrund
Die Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh ist nach Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi die bekannteste iranische Menschenrechtlerin und die mit Abstand bedeutendste Vertreterin der iranischen Zivilgesellschaft, die sich im Iran aufhält. Sie ist Mitgründerin der Eine-Million-Unterschriften-Kampagne für Frauenrechte im Iran und setzte sich vor allem für Frauen und Mädchen ein und war unter anderem gegen das sogenannte „Familienschutzgesetz“ aktiv. Dies sollte muslimischen Männern ermöglichen, ohne Einwilligung ihrer Ehefrau weitere Frauen zu heiraten. Vor allem aber kämpfte sie gegen die willkürliche Verletzung der noch bestehenden Rechte innerhalb der Islamischen Republik.
Zur Person
Nasrin Sotoudeh (geboren am 30.05.1963) ist eine der weltweit bekanntesten Menschenrechtsverteidigerinnen, iranische Staatsbürgerin und lebt in Teheran. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Shahid Beheshti Universität. Erst acht Jahre nach ihrem Studium erhielt sie eine Genehmigung um als Rechtsanwältin zu praktizieren
Nasrin Sotoudeh ist mit Reza Khandan verheiratet und hat zwei Kinder. Bekannt wurde sie durch ihren Einsatz für Minderjährige, denen die Todesstrafe droht und durch die gerichtliche Verteidigung von politischen Gefangenen. Zudem vertrat sie 2009 nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen oppositionelle Aktivisten und Politiker. So verteidigte sie z.B. die iranische Friedensnobelpreisträgerin Dr. Shirin Ebadi vor Gericht.
Nasrin Sotoudeh wurde 2008 für den Internationalen Menschenrechtspreis von der International Human Rights Organization nominiert, durfte den Iran allerdings nicht verlassen, und konnte so nicht an der Verleihung teilnehmen. Zudem erhielt sie 2011 den PEN/Barbara Goldsmith Freedom to Write Award und den Sacharow Preis für geistige Freiheit 2012. Seit dem 14. April 2013 gehört die renommierte Menschenrechtlerin dem Kuratorium der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte an.
Verhaftung und „Prozess“
Während der Präsidentschaft Mohammed Khatamis begann Nasrin Sotoudeh 1997 für Wochen- und Tageszeitungen zu schreiben und berichtete über Verstöße gegen Menschen-, Frauen- und Kinderrechte im Iran. So erschienen ihre ersten regierungskritischen Texte, wie zum Beispiel „Political Crimes in the Law and Criminology“ (1998) oder „International Womens Day and Irans Law“ (2004).
Am 4. September 2010 wurde Nasrin Sotoudeh verhaftet, nachdem bereits am 28. August 2010 ihr Büro durchsucht und sie zu einem Verhör vorgeladen worden war. Man begründete ihre Festnahme mit „Propaganda-Arbeit“ und „Verschwörung zum Schaden der Staatssicherheit“. Zudem wurde ihr ihre Mitgliedsschaft beim „Center for the Defense of Human Rights“ (CDHR) vorgeworfen, einer Organisation, die sich mit Kampagnen wie der „One Million Signatures“-Kampagne gegen die Diskriminierung von iranischen Frauen stellt.
Im Januar 2011 verurteilte die 26. Abteilung des Revolutionsgerichts unter Vorsitz von Richter Pir Abbasi Nasrin Sotoudeh zu elf Jahren Gefängnis. Darüber hinaus wurde sie mit einer 20jährigen Ausreisesperre sowie einem Berufsverbot als Rechtsanwältin belegt. Die Strafe setzte sich aus einem Jahr für „regimefeindliche Propaganda“ und jeweils fünf Jahren Haft wegen „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ und „Verstoßes gegen die islamischen Kleidervorschriften in einer Videobotschaft“ zusammen. „Die elf Jahre Gefängnis sind eigentlich schon die Höchststrafe“, so Reza Khandan, „was bedeutet, dass das Ausreiseverbot und das Praktizierverbot illegal sind“. Im September 2011 wurde ihr Urteil auf 6 Jahre Gefängnis und 10 Jahre Berufsverbot reduziert. Versuche der Staatsanwaltschaft, die iranische Anwaltsvereinigung zum Entzug Sotoudehs Anwaltslizenz zu bewegen, blieben ohne Erfolg.
Haftbedingungen
Bis Ende April 2011 saß Nasrin Sotoudeh in Einzelhaft im Evin-Gefängnis in Abteilung 209. Daraufhin wurde sie in den Methadon-Trakt . Der Methadon-Trakt besteht aus einer abgeschlossenen Halle von höchstens 30×35m Grundfläche. Normalerweise sind hier nur gefährliche Kriminelle und Drogenabhängige untergebracht.
Aufgrund von drei Hungerstreiks nahm sie über 14 kg ab. Mit diesen Streiks protestierte sie gegen die inakzeptablen Haftbedingungen im Evin-Gefängnis. Um ihren Kindern ihren geschwächten Zustand zu ersparen, brach sie die Hungerstreiks ab. In den ersten vier Monaten ihrer Haft durften ihre Kinder sie nur zwei Mal besuchen, einmal für fünf und einmal für zehn Minuten.
Druck auf die Familie
Immer wieder wurden Sotoudehs Ehemann Reza Khandan und ihre Anwältin Nasim Ghanavi zum Revolutionsgericht einbestellt. Reza Khandan wurde aufgefordert, in Abteilung 1 des Revolutionsgerichts zu erscheinen. In der schriftlichen Vorladung wurde er als „Angeklagter“ bezeichnet. Dies geschah bereits zehn oder zwölf Tage vor der Verhaftung seiner Frau.
Am 3. Juli 2011 untersagten Gefängniswärter den Kindern die Mutter zu besuchen. Um gegen diese Behandlung zu protestieren, entschied sich Nasrin keinen weiteren Kabinenbesuch mehr anzunehmen, bis die Familienbesuche regelmäßig erlaubt würden. Da sie die Verwendung des Tschadors verweigert, durfte sie keinen Besuch mehr erhalten. Um den Druck auf sie zu erhöhen, wurde auch ihr Ehemann immer wieder eingeschüchtert und gerichtlich belangt.