UNO-Expertin berichtet über verheerende Menschenrechtslage im Iran
Asma Jahangir, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zur Menschenrechtslage im Iran, hat dem für Menschenrechtsfragen zuständigen Dritten Ausschuss der UNO-Vollversammlung ihren Halbjahresbericht vorgelegt, der anhaltende schwere Menschenrechtsverletzungen im Iran dokumentiert.
Anfang Oktober hat der für Menschenrechtsfragen zuständige Dritte Ausschuss der UNO-Vollversammlung in New York mit seiner diesjährigen Tagung begonnen. Am 25. Oktober hat die UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtslage im Iran, Asma Jahangir (Bild), diesem Ausschuss ihren Halbjahresbericht präsentiert, der für die ersten sechs Monate des Jahres 2017 anhaltende schwere Menschenrechtsverletzungen im Iran dokumentiert.
Die pakistanische Rechtsanwältin Asma Jahangir, die bereits mit mehreren bedeutenden internationalen Menschenrechtspreisen ausgezeichnet wurde, wurde im September 2016 vom UN-Menschenrechtsrat zur Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtslage im Iran ernannt. Ihr Bericht bildet die Grundlage für die Resolution zur Menschenrechtslage im Iran, die in den nächsten Wochen von der UNO-Vollversammlung beschlossen werden wird. Mit der Resolution soll ein deutliches Zeichen gesetzt werden, dass die Weltgemeinschaft die verheerenden Menschenrechtsverletzungen im Iran nicht länger schweigend hinnimmt.
Vor dem Ausschuss und in einer anschließenden Pressekonferenz betonte Asma Jahangir ihre Besorgnis über die hohe Zahl der Hinrichtungen im Iran. Berichten zufolge wurden seit Jahresbeginn 435 Personen hingerichtet. Mindestens vier jugendliche Straftäter seien im Berichtszeitraum hingerichtet worden, und 86 weitere befänden sich in den Todestrakten, wobei die tatsächliche Zahl vermutlich noch höher sei. Die UN-Sonderberichterstatterin wiederholte ihren Appell an das iranische Regime, die Verhängung der Todesstrafe gegen Kinder zu beenden und einen umfassenden Prozess der Umwandlung von Todesurteilen gegen Kinder zu beginnen, wie es den Normen bei Jugendstrafverfahren entspricht.
Asma Jahangir wies auch auf das kürzlich im Iran verhängte Todesurteil gegen Mohammad Ali Taheri, den Gründer einer spirituellen Bewegung, Schriftsteller und Arzt für Alternativmedizin, hin. Sie erklärte: „Der Gerichtsprozess war begleitet von Kritik an einem fehlenden ordentlichen Verfahren, und mehrere seiner Anhänger waren verhaftet und Berichten zufolge zu Geständnissen gezwungen worden. Ich fordere die sofortige Rücknahme der Anklagen gegen Taheri und seine bedingungslose Freilassung sowie die Rücknahme der Anklagen gegen alle Personen, die wegen der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf Meinungs-, Religions- oder Glaubensfreiheit festgenommen wurden.“
Die UN-Expertin berichtete weiter darüber, dass im Iran nach wie vor körperliche und seelische Folter angewandt werde, unter anderem zur Erzwingung von Geständnissen. Sie müsse mit Bedauern feststellen, dass Zwangsamputationen, Blendungen, Auspeitschungen und das Einsperren von Gefangenen in lang andauernde Einzelhaft immer noch regelmäßig praktiziert werden. Sie sei außerdem zutiefst besorgt über übereinstimmende Berichte in Bezug auf die Verweigerung notwendiger medizinischer Versorgung von Gefangenen, was in iranischen Gefängnissen auch eine Art der Bestrafung darstelle.
Jahrestagung des für Menschenrechtsfragen zuständigen Dritten Ausschusses der UNO-Vollversammlung in New York
Asma Jahangir sprach den Personen und Organisationen ihre Anerkennung aus, die ihr Informationen zur Menschenrechtlage im Iran zukommen lassen, obwohl sie deswegen häufig ernste Konsequenzen befürchten müssen. Sie habe mehrfach übereinstimmende Berichte darüber erhalten, dass Menschenrechtsverteidiger im Iran Repressalien, Einschüchterungen und Verfolgungen ausgesetzt sind. So sei zum Beispiel die Menschenrechtsverteidigerin Narges Mohammadi weiterhin inhaftiert, nur weil sie sich für die Menschenrechte einsetze. Besorgniserregend seien auch Berichte über Angriffe auf Frauenrechtlerinnen in Form von Strafverfolgungen, Verhaftungen und Verleumdungskampagnen. Es gebe außerdem zahlreiche Berichte über Anwälte, die aufgrund der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit eingeschüchtert, verfolgt und verhaftet werden.
Die UN-Menschenrechtsexpertin berichtete weiter, das mehrere ihrer Gesprächspartner, die außerhalb des Iran leben, extreme Angst vor Repressalien gegen ihre im Iran lebenden Angehörigen geäußert hätten. Sie habe auch Berichte erhalten, nach denen die Justizbehörden gegen Angehörige und Anwälte von Menschenrechtsaktivisten vorgegangen seien, um Druck auf sie auszuüben. Ihrem Mandat entsprechend werde sie auch künftig derartige Einschüchterungen dokumentieren.
Ebenso beunruhigend seien die Berichte über Verstöße gegen das Recht auf Meinungs-, Rede-, Informations- und Pressefreiheit im Iran, so Asma Jahangir. Bis Juni 2017 seien mindestens 12 Journalisten und 14 Blogger und Aktivisten sozialer Medien entweder inhaftiert oder wegen ihrer friedlichen Aktivitäten zu Haftstrafen verurteilt worden. Andere Medienschaffende hätten berichtet, dass sie Verhören, Überwachung und anderen Repressalien ausgesetzt seien.
Die Menschenrechtsexpertin berichtete auch von Repressalien des Teheraner Regimes gegen iranische Journalisten, die in verschiedenen Ländern für den persisch-sprachigen Dienst von Rundfunk- und Fernsehsendern arbeiten, darunter für die BBC in London. Sie seien von Vertretern des iranischen Regimes bedroht und eingeschüchtert worden. Asma Jahangir habe auch Berichte von Familienangehörigen erhalten, die im Iran verhört und vor ernsten Konsequenzen gewarnt wurden für den Fall, dass ihre Verwandten weiterhin für den persischen Dienst der BBC arbeiten würden. Viele der Journalisten, mit denen sie gesprochen habe, hätten ihr schriftliche Belege für die Einschüchterungen vorgelegt, denen sie ausgesetzt sind. Sie alle hätten um vertrauliche Treffen gebeten aus Angst vor den Konsequenzen, wenn sie in Bezug auf die vorgelegten Informationen identifiziert würden.
Asma Jahangir ging weiter darauf ein, dass im Iran zunehmend Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft willkürlich und unrechtmäßig inhaftiert werden. Sie forderte u.a. die Freilassung von Nazanin Zaghari-Ratcliffe. Die britische Staatsbürgerin iranischer Herkunft verbüßt aktuell in Teheran eine Haftstrafe von fünf Jahren und sieht sich jetzt neuen Anklagen gegenüber, die zu einer weiteren Haftstrafe von sechzehn Jahren führen können.
Die UN-Sonderberichterstatterin erwähnte auch die hohe Zahl an Petitionen, Mitteilungen und Dokumentationen über die Hinrichtung von tausenden politischen Gefangenen, die im Jahre 1988 im Iran stattgefunden haben. Die Tötungen seien bereits von einigen der höchsten Vertreter des Teheraner Regimes zugegeben worden. „Die Familien der Opfer“, so Asma Jahangir, „haben ein Anrecht auf Wiedergutmachung, Entschädigung und das Recht, die Wahrheit über diese Vorgänge und das Schicksal der Opfer zu erfahren, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Daher wiederhole ich meine Forderung an die Regierung sicherzustellen, dass eine gründliche und unabhängige Untersuchung dieser Vorgänge durchgeführt wird.“