Zur Menschenrechtssituation im Iran, die als Folge der jüngsten Bürgerproteste entstanden ist, nimmt Martin Patzelt, Mitglied des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages, wie folgt Stellung:
Die Herrscher im Iran haben ihre Versprechungen nicht gehalten. Sie stürzen ihr Volk aus eigensüchtigen Absichten immer tiefer in Armut und Not. Sie gebrauchen Gewalt und Folter, um die Rufe nach Brot zu ersticken. Immer deutlicher wird, dass dieses Regime abgewirtschaftet hat und nicht mehr unterstützt werden darf.
Regime-Truppen gehen mit brutaler Gewalt und Massenverhaftungen gegen die Demonstranten vor. Menschenrechtler haben die Weltgemeinschaft aufgerufen, sich dafür einzusetzen, dass alle verhafteten Demonstranten im Iran umgehend freigelassen werden.
Seit Anfang August werden aus verschiedenen iranischen Städten anhaltende Bürgerproteste gegen die Politik des Teheraner Regimes und die Unterdrückung gemeldet. Mit friedlichen Straßendemonstrationen machen tausende Menschen täglich ihrer Wut auf die Diktatur Luft, darunter in der Hauptstadt Teheran und den Großstädten Isfahan, Shiraz, Mashhad, Ahvaz, Sari, Arak und Karaj. Mit Sprechchören werfen sie dem Regime Missmanagement, Korruption und Machtmissbrauch vor. Zahlreiche Einzelhändler protestieren mit Streiks und haben ihre Geschäfte geschlossen.
Während die Demonstrationen sich zunächst gegen hohe Preissteigerungen, Inflation und Arbeitslosigkeit richteten, weiten sie sich nun immer mehr zu Protesten gegen das gesamte Regime aus, und immer häufiger fordern die Demonstranten lautstark das Ende der islamistischen Diktatur.
Wie bereits bei früheren Bürgerdemonstrationen setzt das Regime massiv Milizen und Gardisten ein, die mit Wasserwerfern, Tränengas und brutalem Schlagstockeinsatz gegen die Demonstranten vorgehen. Im Internet sind zahlreiche Videos von Bürgerjournalisten zu sehen, die zeigen, dass Regime-Truppen mit Gummigeschossen und scharfer Munition auf friedliche Demonstranten schießen, um die Proteste niederzuschlagen. Aus verschiedenen Städten werden verletzte Demonstranten gemeldet.
Massiver Einsatz von Regime-Truppen zur Niederschlagung der Bürgerproteste
Gleichzeitig werden Demonstranten wahllos verhaftet und in Foltergefängnisse gesperrt, wo sie keinen Zugang zu Rechtsanwälten oder Familienangehörigen haben. Unter den Verhafteten sind auch viele Einzelhändler, die auf ihrem Streikrecht beharrten und sich weigerten, ihre Geschäfte zu öffnen. Die Lage der Festgenommenen ist besorgniserregend, und Menschenrechtler befürchten, dass es durch Folter und Misshandlungen in der Haft erneut Todesopfer geben wird.
Unter den verhafteten Demonstranten ist der Menschenrechtsaktivist Nader Afshari (Bild). Er wurde am 1. August in der Stadt Karaj nahe Teheran festgenommen. Der Menschenrechtler war bereits am 1. Februar 2018 verhaftet und danach mehrere Wochen lang im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten worden. Wegen seines Einsatzes für Menschenrechte droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.
Am 3. August betonte Farhan Haq (Bild), der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, angesichts der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten im Iran, dass die Meinungsfreiheit und das Recht der Bürger auf friedliche Versammlungen von allen respektiert werden müssen, auch von den Sicherheitskräften.
Menschenrechtler haben die Weltgemeinschaft aufgerufen, sich dafür einzusetzen, dass alle verhafteten Demonstranten im Iran umgehend freigelassen werden. Der internationale Druck auf das Teheraner Regime müsse erheblich zunehmen, damit die Gewalt gegen friedliche Demonstranten und Gefangene aufhöre. Das Recht der iranischen Bevölkerung auf friedliche Proteste und Versammlungs-, Meinungs- und Redefreiheit müsse verteidigt werden.
Menschenrechtsorganisationen, Studentenvereinigungen und Hochschullehrer fordern die Aufhebung der Haftstrafen und die Freilassung der inhaftierten Studenten, die allein deshalb verurteilt wurden, weil sie ihr Recht auf friedlichen Protest wahrgenommen haben.
Im Iran sind weitere Studentinnen und Studenten wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Bürgerprotesten gegen die Diktatur zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Mit Massenverhaftungen und schweren Bestrafungen versucht das Teheraner Regime, die Bevölkerung einzuschüchtern und weitere Proteste zu verhindern.
Nachdem der Dollarwechselkurs die 12.000 Toman Marke am 30. Juli passiert hatte, gingen viele Basarhändler und Ladenbesitzer in Teheran und anderen Städten des Landes in den Streik, um gegen die katastrophale wirtschaftliche Lage und gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage zu protestieren und sie weigerten sich, ihre Läden zu öffnen.
Am Morgen des 31. Juli gingen neben den Lastwagenfahrern und Ladenbesitzern auch große Gruppen von Bürgern und Jugendlichen in Isfahan auf die Straße, um im Industriebezirk Amirkabir (umbenannt in Neu Shapour) gegen steigende Preise, wiederholte Stromausfälle und die inhumane Politik des klerikalen Regimes zu protestieren.
Dutzende von Studentenvereinigungen im Iran haben die jüngsten Urteile gegen Studenten kritisiert und gewarnt, sie würden „den totalitären Kräften nicht erlauben, die Freiheit erneut ins Visier zu nehmen“.
In einer Erklärung, die am Montag, dem 23. Juli, veröffentlicht wurde, schreiben 68 Studentenvereinigungen, dass die derzeitige Situation im Iran „eine Unzahl von Unzufriedenen in der Bevölkerung“ schaffe, und sie warnen, „eine autoritäre Rhetorik der Rechtfertigung treibe das Land in ein prekäre Richtung“.
Bemühungen des iranischen Regimes, die Wirtschaft zu festigen, sind fehlgeschlagen
Die Bemühungen der iranischen Zentralbank, den Niedergang des Wertes des Rial zu stoppen und den schwarzen Markt für die Währung zu unterbinden, sind fehlgeschlagen und haben damit die Ankündigung Präsident Hassan Rohanis, dass er die iranische Wirtschaft gegen die US Sanktionen wappnen könne, widerlegt.
Der erste Schritt des Regimes bestand in der Einführung eines festen Wechselkurses im April (42 000 Rial je US $ im Gegensatz zu dem Verhältnis von 60 000 zu 1 auf offiziellen Märkten) und jedem, der zu einem anderen Kurs tauscht, mit Hinrichtung zu drohen. Dies wirkte sich weniger auf Devisenhändler aus als auf jedermann, der Waren in Dollar eingekauft hatte und sie nur mit Verlust verkaufen konnte. Viele Geschäfte haben jedoch ihre Waren auf dem schwarzen Markt verkauft.
Die iranische Wirtschaft, die nach Jahrzehnten der Korruption und des Missmanagements durch das Regime schon instabil geworden ist, ist in den freien Fall geraten, seit Donald Trump im Mai bekannt gegeben hatte, dass die USA sich aus dem mit Mängeln behafteten Abkommen zurückziehen würden.
In der vergangenen Woche ist im Großen Basar von Teheran eine Protestwelle gegen die nicht mehr funktionierende Wirtschaft entstanden, wobei die Ladeninhaber ihre Arbeit niedergelegt und gegen steigende Preise und den schwachen Rial protestiert haben. „Transparenz in der Devisenzuteilung“ ist in den iranischen sozialen Medien ein gängiges Thema geworden.
Andere Proteste in der letzten Zeit im Iran resultierten aus Wasserknappheit, die durch eine Dürre verursacht und die vom Regime noch dadurch verschärft wurde, das Wasser in ethnisch Persische Provinzen bringen ließ.
Bürgerproteste im Iran und Unterdrückung durch das Regime
Mit Massenverhaftungen und schweren Strafen versucht das Teheraner Regime, weitere Bürgerproteste zu verhindern. Gegen zahlreiche Demonstranten und Menschenrechtsverteidiger wurde Anklage wegen angeblicher „staatsfeindlicher Aktivitäten“ erhoben. Mehrere der Angeklagten wurden bereits von Revolutionsgerichten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Die Bürgerproteste gegen das Regime im Iran dauern an. Mit friedlichen und legitimen Kundgebungen und Streiks bringen die Menschen in verschiedenen Städten immer wieder ihren Unmut gegen die Politik des Regimes und die Unterdrückung zum Ausdruck.
Teheran – 27.05.2018: Demonstrationszug anlässlich der Beisetzung des regimekritischen iranischen Schauspielers Naser Malek-Motiee, gegen den von den herrschenden Islamisten ein Berufsverbot verhängt worden war. Bei diesem Protestmarsch demonstrierten Tausende gegen die von den iranischen Staatsmedien ausgeübte Zensur und Unterdrückung.
Die Demonstranten fordern mutig ihre Rechte ein, obwohl ihnen schwere Repressalien drohen. Im Iran sind alle regimekritischen Versammlungen grundsätzlich verboten. Das Regime behauptet, die Bürgerproteste seien „vom Ausland organisierte Verschwörungen“, und droht den Protestteilnehmern mit schweren Strafen.
Am 27. Mai hat der Sprecher der Regime-Justiz in den iranischen Staatsmedien erneut gedroht, dass die Sicherheitskräfte mit aller Härte gegen Protestkundgebungen vorgehen werden. Mitte Mai waren in der südiranischen Stadt Kazerun mindestens zwei Demonstranten getötet und Dutzende weitere verletzt worden, nachdem Regimepolizisten in eine friedliche Menschenmenge geschossen hatten.
Der Menschenrechtsaktivist Ali Nouri (Bild) wurde im Mai wegen seiner Mitwirkung an Bürgerprotesten von einem Teheraner Revolutionsgericht zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Ihm wird die angebliche „Beteiligung an staatsfeindlichen Versammlungen und Propaganda“ vorgeworfen. Ali Nouri war am 30. Dezember 2017 festgenommen worden und wurde bis zum 4. Februar im Gohardasht-Gefängnis in Karaj nahe Teheran festgehalten. Der 25-Jährige, der sich u.a. für Kinderrechte einsetzt, war bereits 2016 und 2017 wegen seiner Menschenrechtsarbeit in Haft gewesen.
Das Regime versucht mit Massenverhaftungen, weitere Bürgerproteste zu verhindern. Unter den Festgenommenen sind zahlreiche Studenten, Menschenrechtsaktivisten und Bürgerjournalisten, die im Internet über die Proteste berichtet haben. Bei vielen Verhafteten ist auch Wochen nach ihrer Festnahme weiter unklar, wo sie gefangen gehalten werden. Familienangehörige werden bedroht und eingeschüchtert und erhalten keine Informationen.
Die Verhafteten werden in Foltergefängnissen ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Dort sind schwere Misshandlungen an der Tagesordnung. Seit Anfang 2018 wurde über mehrere Demonstranten berichtet, die in der Haft durch Folter getötet wurden.
Gegen zahlreiche Demonstranten und Menschenrechtsverteidiger wurde Anklage wegen angeblicher „staatsfeindlicher Aktivitäten“ erhoben. Mehrere der Angeklagten wurden bereits von Revolutionsgerichten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Als Reaktion auf die zunehmenden Bürgerproteste verschärft das Regime die Verfolgung von bekannten Menschenrechtsverteidigern und verschlimmert die ohnehin grausamen Haftbedingungen der politischen Gefangenen.
Am 14. Mai wurden in der zentraliranischen Stadt Arak 11 Menschenrechtsaktivisten (Bild) vor Gericht gestellt, die bei Protestkundgebungen im vergangenen Dezember und Januar festgenommen worden waren. Bei den Angeklagte handelt es sich um Ali Bagheri, Abbas Safari, Behza Ali-Bakhshi, Yousef Shiri, Davood Rahimi, Mohammad Yaghoobi, Kyan Sadeghi, Masoud Aujloo, Mohammad Torabi, Neda Yousefi und Mohammad Najafi. Die Urteile wurden noch nicht bekanntgegeben. Den Angeklagten drohen wegen ihrer Mitwirkung an den Protesten lange Haftstrafen.
Einer der Angeklagten ist der menschenrechtlich engagierte Rechtsanwalt Mohammad Najafi. Er ist der Rechtsbeistand von Familien von getöteten Demonstranten und setzt sich für die Aufklärung der Todesfälle in iranischen Gefängnissen ein.
Der Anwalt wurde am 15. Januar 2018 festgenommen und über drei Monate lang im Gefängnis der Stadt Arak festgehalten. Er wurde wegen angeblicher „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ und „Propaganda gegen den Staat“ angeklagt. Der Grund: Mohammad Najafi hat den fragwürdigen Tod eines Demonstranten untersucht und die Behauptung der Regime-Justiz in Frage gestellt, der Festgenommene habe sich in der Haft selbst das Leben genommen.
Der betreffende Demonstrant, der 22-jährige Vahid Heydari, starb Anfang Januar 2018 in einer Polizeistation der Stadt Arak, nachdem er am 31. Dezember bei Protesten festgenommen worden war. Familienangehörige berichteten, dass sie bei dem Toten schwere Schädelverletzungen gesehen hätten, bevor er begraben wurde. Der Familie wurde unter Drohungen verboten, mit Medien zu sprechen. Eine Autopsie wurde nicht zugelassen.
Iran: Ein weiterer inhaftierter Demonstrant unter der Folter ermordet
Taleb Basativand ist das nächste Opfer, welches in Haft im Gefängnis von Ilam (West – Iran) unter der Folter ermordet wurde. Damit steigt die Zahl der unter der Folter ermordeten Demonstranten auf mindestens 13.
Taleb Basativand, ein Student der Ilam Universität, wurde im Januar von der Polizei während der Aufstände verhaftet und kam zeitweise unter Kaution frei. Am 18. Februar wurde er vom Geheimdienst des klerikalen Regimes erneut verhaftet. Acht Tage später, am 26. Februar, wurde seine Familie über seinen Tod informiert. Der Familie wurde gedroht, keine Informationen über das Verbrechen heraus zu geben.
Um diese Verbrechen zu vertuschen, haben die kriminellen Lügner und Verbrecher der Mullahs den Tod der Inhaftierten der Aufstände als „Selbstmorde“, „sie fühlten sich schuldig“, „fehlenden Zugang von Drogen“ oder als „Überdosis“ bezeichnet. Die Ermordung von Oppositionellen und ihre Folterung ist seit vier Jahrzehnten ein verbreitetes Mittel der klerikalen Herrscher. In einem der aktuellen Fälle bezeichnete das Regime die Ermordung von Kavoos Seyyed Emami, einem Universitätsprofessor und Umweltaktivisten, zwei Wochen nach seiner Verhaftung, erneut als „Selbstmord“.
Verein Freunde in der Not ruft die Öffentlichkeit, UNO und EU zur Verurteilung dieses Verbrechen, und dass es keine solche Ermordung geduldet wird.
Ausgeplünderte Frauen und Männer veranstalten im Iran Proteste vor dem Parlament
Am Samstag, dem 3. März 2018 wurde von Frauen und Männern eine große Protestkundgebung vor dem iranischen Parlament in Teheran veranstaltet, die von Finanzinstituten ausgeplündert worden waren, die mit dem Corps der Revolutionsgarden (IRGC) verbunden sind, darunter Caspian, Alborz-e Iranian und Samen-ol Hojaj.
Sie zogen danach durch die Straßen und protestierten dagegen, dass die Regierung es unterließ, für den Betrug die Verantwortung zu übernehmen. Frauen waren bei dieser Protestdemonstration aktiv beteiligt.
Verärgerte Protestierende skandierten Slogans gegen den Präsidenten des Kleriker-Regimes Hassan Rohani und den Sprecher des Parlaments Ali Larijani.