Der Bericht von Amnesty International zur Menschenrechtsbilanz des iranischen Regimes
Amnesty International hat einen 200 Seiten umfassenden Bericht von dem Massaker an politischen Gefangenen im Iran veröffentlicht – 30 Jahre darnach. Er konzentriert sich hauptsächlich auf die düsteren Tage des Massakers an 30 000 politischen Gefangenen im Iran – im Jahre 1988.
Wenn das Massaker von 1988 die internationale Aufmerksamkeit, die es verdiente, gefunden hätte, so wären dem iranischen Volk in den darauf folgenden Jahren maßlose Menschenrechtsverletzungen erspart worden. Daß die Verbrechen jener Tage nicht bestraft wurden, ermutigte das Regime in den folgenden Jahren bis dahin, daß es heute die Gräber seiner Opfer überall im Iran einebnet.
„Die Vereinten Nationen müssen,“ so schließt der Bericht, „einen unabhängigen, unparteilichen und wirksamen internationalen Mechanismus schaffen, um die für diese erschreckenden Verbrechen Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.“
Der Hüter der Menschenrechte sagt auch, daß es sich hier um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelte und daß die Täter vor ein internationales Strafgericht gestellt werden sollten.
Das Massaker an den politischen Gefangenen
Es existieren verschiedene Berichte von dem Massaker des Jahres 1988 an politischen Gefangenen im Iran; es liegt an dem Mantel der Geheimhaltung, den die Funktionäre des iranischen Regimes darüber legten. Viele ehemalige und gegenwärtige Spitzenfunktionäre des Regimes leugnen die grausamen Ereignisse jenes Sommers geradenwegs.
Was geschah wirklich?
Im Sommer 1988 ging der zwielichtige Krieg, den Khomeini gegen das Nachbarland Irak führte, zu Ende; die Kommandeure seiner Revolutionsgarden sahen für den Fall, daß er den Krieg nicht sofort beendete, eine Niederlage voraus. Der Krieg gegen den Irak hatte ihm auch als Deckmantel innerer Repression gedient.
Im Lande sah Khomeini sich mit einer machtvollen Opposition konfrontiert; er sah sich genötigt, sich der existentiellen Bedrohung seiner absoluten Herrschaft, der „Organisation der Volksmojahedin des Iran (PMOI/MEK)“, zu entledigen. Er erkannte in den tausenden politischen Gefangenen das Potential der Opposition.
Hastig stellte er ein Komitee zur Vernichtung der Gefangenen zusammen. Natürlich benötigte es irgendein grünes Licht von seiten der Religion. Seine infame handgeschriebene Fatwa erfüllte diesen Zweck.
Die „Todeskommission“ – unter diesem Begriff ist sie den politischen Gefangenen des Iran bekannt – wurde gegründet, um eines der abscheulichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die die Welt im 20. Jahrhundert erlebt hat, in Gang zu bringen. Diese Kommission beaufsichtigte im Sommer 1988 das Massaker an 30 000 politischen Gefangenen, von denen die meisten Mitglieder und Freunde der MEK waren.
Am Vorabend des 28. Gedenktages des Massakers von 1988, im Sommer 2016, erteilte Maryam Rajavi, die Präsidentin des Nationalen Widerstandsrates Iran (NWRI) den Mitgliedern der Opposition den Auftrag, sich an der weltweiten Kampagne „Bewegung zur Gerechtigkeit“ zu beteiligen.
Diese Kampagne trachtet nach Gerechtigkeit für die im Jahre 1988 gefallenen Opfer des theokratischen Regimes. Das Ziel besteht darin, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dazu zu bewegen, die damaligen und die noch gegenwärtigen Funktionäre, die für die Verbrechen des Jahres 1988 verantwortlich sind, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor ein internationales Gericht zu stellen.
Am 25. März 2014 demonstrieren Menschen während des Haager Marsches auf einem Platz in der Nähe der Gipfelkonferenz zu nuklearer Sicherheit gegen die Menschenrechtsverletzungen im Iran. (Reuters)
Ein früher Whistleblower
Der erste Whistleblower des Massakers von 1988 im Iran war Ayatollah Hossein-Ali Montazeri. Montazeri, der als Nachfolger Khomeinis vorgesehen war, wurde wegen seines öffentlichen Einspruchs gegen die Massenhinrichtungen des Jahres 1988 entlassen. Er verbrachte den Rest seines Lebens im Hausarrest und starb im Jahre 2009. Sein Sohn machte im Jahre 2016 eine Tonbandaufnahme von seinem Gespräch mit Mitgliedern der Todeskommission zugänglich.
In dieser bewegenden Aufnahme hört man Montazeri, wie er im Jahre 1988 zu der „Todeskommission“ sagte, sie sei für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich. Er sagte: „Das größte Verbrechen während der Herrschaft der Islamischen Republik, dessentwegen die Geschichte uns verurteilen wird, ist von Ihnen begangen worden. Ihre Namen werden eingeätzt werden in die Annalen der Geschichte – als Namen von Verbrechern.“
Die Belohnung der Schuldigen
Im amtierenden iranischen Regime werden für das Verbrechen Verantwortliche nach einer vezwickten Logik belohnt. Einige Mitglieder der Todeskommission bekleiden immer noch hohe Posten im Lande. Eines von ihnen ist Ebrahim Raisi. Damals war er ein einfacher Geistlicher; zur Belohnung für seine Dienste wurde er befördert und aufgenommen in die Ränge der Hierarchie der Mullahs.
Er ist ein enger Vertrauter des Höchsten Führers Ali Khamenei. Er ist gegenwärtig der Kustode von „Astan Quds Razavi“, der wohlhabendsten Wohlfahrtsorganisation, die mit der Bewachung des heiligsten Schreins im Mashhad beauftragt ist – im Nordwesten des Iran, in unmittelbarer Nähe des Kraftwerks von Khamenei.
Raisi und Mostafa Pour-Mohammadi – der Justizminister des Iran im Kabinett von Hassan Rouhani -: zwei der vier Mitglieder der Todeskommission, die von dem damaligen Höchsten Führer Khomeini beauftragt wurden, die politischen Gefangenen summarisch hinzurichten. Im Sommer 1988 unterzeichnete die Kommission 30 000 Todesurteile.
Die Känguru-Prozesse dauerten im Durchschnitt wenig mehr als drei Minuten. Einige von den politischen Gefangenen, die das Gemetzel wunderhaft überlebten, haben von ihren Ordalen erzählt bzw. über sie geschrieben. Die Richter stellten ihnen folgende einfache Frage: Glauben Sie immer noch an die Mojahedin? Die Antwort konnte den Befragen an den Galgen bringen. Die grausigen Berichte der Überlebenden versetzen, besonders wenn es sich um inhaftierte Frauen handelte, ihre Zuhörer oft in einen Schock.
Pour-Mohammadi hat inzwischen seine Rolle in der „Todeskommission“ eingeräumt; er brüstete sich, er sei stolz, „Gottes Willen ausgeführt zu haben“; was er tat, habe ihn nicht den Schlaf gekostet.
Alireza Avaie, ein weiteres Mitglied der Kommission, trat im zweiten Kabinett von Rouhani als Justizminister an die Stelle Pour-Mohammadis. Seine Akte betreffend Beteiligung an Menschen-
rechtsverletzungen reicht lange Zeit zurück – in die Zeit, als er gemeinsam mit Leuten wie Ebrahaim Raisi in Verbrechen verwickelt war.
Philip Luther, Direktor von Amnesty International für den Nahen Osten und Nordafrika, sagte: „Das erschreckende Versäumnis der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft, in bezug auf die Schandtaten, die von den iranischen Behörden begangen wurden, Wahrheit und Recht zu verfolgen, hat katastrophale Folgen gezeitigt – nicht nur für die Überlebenden und Angehörigen der Opfer, sondern auch für die Herrschaft des Rechts und die Achtung vor den Menschenrechten im Lande. Es darf den iranischen Behörden nicht mehr gestattet werden, sich der Verantwortung für die von ihnen begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu entziehen.“
Quelle: Al Arabiya