UNO Experten: Häftlinge im Iran im lebensbedrohlichen medizinischen Zustand
Experten für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen haben ihre ernste Besorgnis zum Ausdruck gebracht , dass das iranische Regime Häftlingen angemessene Gesundheitsversorgung zukommen lässt, obwohl mehrfach dazu aufgefordert wurde.
„Seit mehreren Monaten haben wir der iranischen Regierung unsere tiefe Besorgnis über die physische und psychische Unversehrtheit von Häftlingen mitgeteilt,“ steht in einer Erklärung der Experten vom 10. Juli 2019. „Entgegen den Zusicherungen der Regierung müssen wir enttäuscht feststellen, dass wir immer noch Berichte über die Verweigerung medizinischer Behandlung erhalten, wobei es zum Teil auch um lebensbedrohliche Situationen geht. Das sind offenbar nicht nur vereinzelte Vorfälle, sondern es steckt System darin“.
Der kritische Zustand von Arash Sadeghi, bei dem, wie es heißt, eine seltene Form von Knochenkrebs diagnostiziert worden ist, ist besonders alarmierend, so die UNO Experten. Sadeghi war von einem Revolutionsgericht im August 2015 zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden wegen „Versammlung und Verabredung zur Propaganda gegen den Staat“, „Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik“, „Verbreitung von Lügen im Internet“ und „Propaganda gegen das Regime“. Laut den Experten betrieb er friedlichen Aktivismus für Menschenrechte unter anderem in Posts in den sozialen Medien und in Gesprächen mit Journalisten und Verteidigern von Menschenrechten über die Situation der Menschenrechte im Iran.
Die Gefängnisverwaltung in der Haftanstalt Raja’i Shahr hat ihm den Zugang zu medizinischer Behandlung verwehrt, wie gemeldet wird. Der Gesundheitszustand Sadeghis hat sich verschlechtert, nachdem er im September 2018 nach einer Operation gegen den Rat der Ärzte ins Gefängnis zurückgebracht wurde.
Große Beunruhigung lösen die Fälle von Ahmadreza Djalali und Kamran Ghaderi aus. Djalali, der eine doppelte schwedisch-iranische Staatbürgerschaft hat und Arzt und Forscher am Karolinska Institut für Medizin in Stockholm ist, wurde verurteilt und erhielt die Todesstrafe wegen „Verderbnis auf Erden“, weil er angeblich im Iran spioniert haben soll. In der Haft im Evin Gefängnis wurde Djalali der Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsfürsorge verweigert, obwohl medizinische Tests ergaben, dass er vielleicht Krebs hat.
Ghaderi, der österreichisch-iranische Staatsbürgerschaft hat und Geschäftsmann ist, wurde auch Spionage zur Last gelegt. Er verbüßt eine 10jährige Gefängnisstrafe. Auch er ist im Evin Gefängnis und bekommt keine angemessene medizinische Behandlung trotz eines Tumors im Bein.
Sadeghi, Djalali und Ghaderi wurden aus anderen Gründen behandelt, aber die Experten sagen, das sei zu ihrer Besorgnis nur mit Unterbrechungen und Verzögerungen geschehen. Eine richtige Rehabilitation und Nachbehandlung von Spezialisten sei nicht gewährt worden.
Auch zwei Frauen, Nazanin Zaghari-Ratcliffe und Nargess Mohammadi, für die schon im Januar 2019 in einer öffentlichen Erklärung im Einzelnen auf die Gesundheitsprobleme aufmerksam gemacht wurde, wird weiterhin eine zielgenaue medizinische Versorgung verweigert.
„Wir fordern die iranische Regierung auf, unverzüglich und bedingungslos allen den betreffenden Personen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung und Versorgung zu geben und ebenso allen anderen Häftlingen, die eine solche zureichende Gesundheitsvorsorge brauchen“, heißt es von der Seite der Experten.
Die gleichen Experten machen auf zahlreiche Berichte aufmerksam, denen zufolge im Iran die physische und psychische Unversehrtheit weiter aufs Spiel gesetzt werden durch Haftbedingungen, die gefährlich sind und unzureichende sanitäre Einrichtungen aufweisen. Wie aus Berichten, die darüber zu bekommen waren, hervorgeht, gebe es in iranischen Gefängnissen Probleme, die von Überbelegung, kontaminierten Nahrungsmitteln und Wasser, Mäusen, Ratten und Insektenplagen und unhygienischen Zuständen bis zu vollkommen ungenauen Temperaturkontrollen reichen, führen die Experten aus.
Die Arbeitsgruppe zu willkürlicher Inhaftierung hat zudem [auf der Grundlage einer diesbezüglichen UNO-Konvention] vorher festgestellt, dass bei vier der Personen, die in der Erklärung der genannten Experten aufgeführt sind, der Tatbestand einer willkürlichen Haft vorliegt, und sie hat ihre sofortige Freilassung verlangt.
„Wir wiederholen unsere Aufforderung zu sofortiger Freilassung der Verteidiger von Menschenrechten und aller anderen Personen, für die der Tatbestand einer willkürlichen Inhaftierung herausgefunden wurde, und ebenso aller anderen Personen in iranischen Haftanstalten, die derzeit willkürlich festgehalten werden“, so diese Experten.
Die UNO Experten haben das iranische Regime zuvor über ihre schweren Bedenken in Kenntnis gesetzt.
Namentlich gehörten zu den UNO Experten, die die Erklärung abgaben, Herr Dainius Püras, Sonderberichterstatter zum Recht auf Gesundheit; Herr Michel Forst, Sonderberichterstatter zur Situation von Verteidigern von Menschenrechten; Herr David Kaye, Sonderberichterstatter zur Unterstützung und zum Schutz des Rechts auf die Freiheit der Meinung und des Ausdrucks; Herr José Antonio Guevara Bermúdez, Vorsitzender und Berichterstatter in der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung; Frau Fionnuala NÍ AOLÁIN, Sonderberichterstatterin für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus; Frau Dr. Agnes Callamard, Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen; Herr Nils Melzer, Sonderberichterstatter für Folter und andere grausame, inhumane oder entwürdigende Behandlung oder Bestrafung; Herr Javaid Rehmann, Sonderberichterstatter über die Situation der Menschenrechte in der Islamischen Republik des Iran.