Junger politischer Gefangener

Von JENNY STANTON FOR MAILONLINE
VERÖFFENTLICHT: Farzad Madadzadeh

Ich wurde unter Präsident Mahmud Ahmadinejad aus politischen Gründen verhaftet und verurteilt. Ich erlitt körperliche und seelische Folter jeder Art, mit der man mir meine Würde nehmen wollten. Dazu gehörte auch sechs Monate Isolationshaft. Ich war von der Welt völlig abgeschottet und man drohte mir täglich mit der Hinrich­tung. Meine Geschwister Mahdieh und Ali Akbar wurden beide vom iranischen Regime am 8. April 2011 getötet.

Mit verbundenen Augen und Händen in Handschellen wurde Farzad Madadzadeh in einem iranischen Gefängnis bis zu 16 Stunden am Tag verprügelt.
Drei Wächter setzten ihn Stromschlägen aus und schlugen ihn und stießen ihn wie einen „Fußball” herum, bevor sie ihn wieder in eine winzige Einzelzelle zurückschickten.
Fünf Jahre lang legte er sich jede Nacht schlafen mit dem Gedanken, ob am nächsten Morgen der Tod kommen würde oder ob ein weiterer Tag mit Folter und Verhören auf ihn warten würde.
Sein einziges Verbrechen? Dass er sich gegen das iranische Regime ausgesprochen hat.

Farzad wurde zunächst in das berüchtigste Gefängnis Irans gebracht, das Evin-Gefängnis, wo Gefangene von der regelmäßigen Anwendung von Folter berichten.

Man wird dort allen Arten von Folter ausgesetzt – psychologischer und physischer,“ sagte er gegenüber MailOnline. „Ständige Verhöre, ständiges Prügel, rund um die Uhr.“
„Jeden Moment erwartet man, dass etwas passiert – eine weitere Folterrunde oder ein Todesurteil.“
„Man ist vom Rest der Welt vollständig isoliert. Die einzige Stimme, die man hört, ist die Stimme des Todes.
Er sagt, dass Wächter Drogen, darunter Heroin, in das Gefängnis bringen würden, um Gefangene süchtig zu machen und um es den Verhörenden einfacher zu machen, Gefangene, die an Entzugssystemen leiden, zu brechen.
Der 30-Jährige berichtet dies, nachdem er vor zwei Monaten aus dem Land geflohen war und vor einer Versammlung in Paris heute, die gegen die Zunahme an Hinrichtungen im Iran protestiert.
Er wird von der 18-jährigen Paria Kohandel begleitet werden, deren Vater – ein politischer Gefangener – im Iran weiter hinter Gittern bleibt.
Im vergangenen Jahr verzeichnete das Land Human Rights Watch zufolge nach China die weltweit höchste Zahl an Hinrichtungen in der Welt und auch die höchste Zahl an hingerichteten jugendlichen Straftätern.
Und es bleibt eines der Länder, in denen am meisten Blogger, Journalisten und Aktivisten der Sozialen Medien inhaftiert sind.

Farzad wurde kurz vor den Unruhen von 2009 festgenommen, als Massendemonstrationen im gesamten Land ausbrachen, nachdem Mahmoud Ahmadinejad die Präsidentenwahlen unter kontroversen Umständen gewonnen hatte. Tausende Iraner demonstrierten in den Straßen Teherans und anderen Städten im Iran und warfen der Regierung vor, die Wahl gefälscht zu haben

Farzad, der in Jolfa im Nordwesten Irans geboren wurde, wurde zu einem politischen Aktivisten nachdem er einen illegalen Fernsehkanal der Volksmujahddin-Organisation des Iran angesehen hatte – eine Oppositionsbewegung, die sich für den Sturz der Islamischen Republik Iran einsetzt.
Er und andere wie er haben eine Oppositionszelle gegründet und Flugblätter verteilt, Transparente hochgehalten, an Demonstrationen teilgenommen und dabei geholfen, junge Menschen zu mobilisieren. Farzad hat regimekritische Graffiti an Wänden hinterlassen und Informationen für den Widerstand gesammelt – wobei er stets gewaltfrei protestierte.
Er wurde im Februar 2009 festgenommen und wegen Unterstützung der Volksmujaheddin-Organisation des Iran zu fünf Jahren Haft verurteilt – die Organisation war 2012 von den Vereinigten Staaten und 2009 von der EU von der Liste der Terrorgruppen gestrichen worden.
Die Festnahme erfolgte kurz vor den Unruhen des Jahres 2009, als Massendemonstrationen im gesamten Land ausbrachen, nachdem Mahmoud Ahmadinejad die Präsidentenwahlen gewonnen hatte – Wahlen, die nach Ansicht vieler gefälscht waren. Dies waren die größten Proteste, die das Land seit der Islamischen Revolution 1979 erlebt hat.
Farzad wurde zunächst in das Evin-Gefängnis gebracht – Irans berüchtigstes Gefängnis.
„Ich habe 10 Monate in Block 209 verbracht, der vom Geheimdienstministerium kontrolliert wird,“ erklärte er. „Das ist der gewalttätigste Block im ganzen Iran. Man hat mir gleich die Augen verbunden. Dann gingen die Verhöre los – von 8 Uhr früh bis 11 Uhr nachts oder bis Mitternacht. Wenn man etwas gesagt hat, was sie nicht hören wollten oder wenn man nicht gehorchte, finden sie an, dich zu prügeln. Sie schlugen sehr hart zu, so hart wie sie konnten. Um Mitternacht wurde man in die Einzelzelle gebracht. Am nächsten Tag ging es dann weiter.“
Es war einer der Verhörer von Farzad, der ihn darüber informierte, dass er zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Seines Wissens nach gab es kein Gerichtsverfahren. Er wurde sechs Jahre lang in einer Einzelzelle von 1,5 m mal 2 m gefangen gehalten – aber immerhin erlaubte man ihm, dass er nach vier Jahren Haft Besuch von seinen Verwandten bekommen durfte.
„Als meine Mutter, mein Vater und meine Schwester mich besuchen kamen, fragten Sie mich: „Wo ist ist unser Sohn?” Sie haben mich nicht wiedererkannt, so schlimm hatten sie mich verprügelt.“

 

Farzans Verhöre gingen im Evin-Gefängnis (abgebildet) über drei oder vier Monate, wobei er sich aber nicht sicher ist, wie viel Zeit wirklich vergangen ist.

 

Es war einer der Verhörer von Farzad, der ihn darüber informierte, dass er zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Seines Wissens nach gab es kein Gerichtsverfahren.

 

Farzad hat regimekritische Graffiti an Wänden hinterlassen und Informationen für den Widerstand gesammelt – wobei er stets gewaltfrei protestierte.

„Sie folterten einen mit Stöcken, mit denen sie elektrische Schläge verteilten und eine Menge Leute erhielten Verbrennungen auf ihrem Rücken durch Feuerzeuge. Einer wurde so schwer am Ohr geschlagen, dass er davon taub geworden ist. Ich habe selbst einige Probleme mit dem Hören wegen all der Schläge auf meine Ohren. Man hat keinen echten Arzt zu uns gelassen, um uns zu behandeln. Sie haben die Gefangenen zu Tode gefoltert und ihnen jede medizinische Versorgung verweigert.“
Zwei seiner Freunde, politische Gefangene, die an den Unruhen teilgenommen hatten, wurde zum Tod verurteilt. Die Männer sagten ihm, die Verhörer hätten ihnen die Fingernägel herausgerissen. Einem hatte man während eines Verhörs den Rücken gebrochen und er hat keine medizinische Behandlung bekommen, ein anderer wurde von einem Wächter vergewaltigt – was ihn dazu gebracht hatte, falsche Geständnisse zu machen, sagte er.
Farzans Verhöre dauerten drei oder vier Monate an, wobei er sich nicht mehr sicher ist, wie viel Zeit tatsächlich vergangen ist. Er wurde ständig zur Opposition verhört und man hatte von ihm frühzeitig gefordert, dass er sich öffentlich gegen sie aussprechen solle.
„Das Schlimmste im Gefängnis ist, dass sie dir die besten Freunde wegnehmen und sie hängen,” fügte er hinzu. „Man kann sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn man sich abends hinlegt und morgens wacht man auf und man sieht, dass der beste Freund gehängt wurde. Das waren Menschen, mit denen man so eng vertraut war und ihr einziges Verbrechen war es, dass sie an Demokratie glaubten oder dass sie im Camp Ashraf waren.“ Es war dort, wo Farzans Bruder und Schwester im April 2011 getötet wurden.

Irakische Sicherheitskräfte stürmten das Camp und es wird angenommen, dass 26 Personen dabei getötet wurden, eine Zahl, die von irakischen Vertretern bestritten wird.
„Sie waren vollkommen wehrlos und wurden von Panzern und schweren Waffen überrollt,” sagte er.
Damals war Farzad im Gohardasht-Gefängnis bei Teheran inhaftiert, wo zu den Mitgefangenen 13- und 14-Jährige gehörten die an „versehentlichen” Tötungen beteiligt waren und die darauf warteten, dass man sie hängen würde, sobald sie 18 wurden. Hier hatte er beobachtet, dass Drogen – Heroin, Crack und Crystal Meth – in das Gefängnis gebracht wurden.
„Das Geheimdienstministerium und die Wächter selbst haben bewusst Drogen gegeben, um die Gefangenen süchtig zu machen,“ sagte Farzad gegenüber MailOnline. „Wenn sie dann süchtig sind, kann man sie zu allem zwingen. Sie geben dann jeden Widerstand auf.“
„Wenn man mit 30 Gramm von dem Zeug auf der Straße erwischt wird, wird man zum Tod verurteilt. Hier aber bieten sie mir im Gefängnis selbst diese Drogen an, was ich abgelehnt habe.“
Obwohl er mit Schlägen bedroht wurde, setzte er seine Arbeit als Aktivist auch hinter Gittern bis zu seiner Freilassung fort. Als er gefragt wird, warum er das getan hat erklärt er: „Schweigen ist Verrat. Wäre ich verstummt, dann wäre das das Verabscheuungswürdigste, was ich hätte tun können.”
An dem Tag, an dem er im Februar 2014 freigelassen werden sollte, wartete Farzads Familie aufgeregt 10 Stunden lang vor dem Gefängnistor in eisiger Kälte. Er sagt, er sei aus Trotz noch zwei Tage länger in Haft gehalten worden.
Es wird angenommen, dass noch immer Hunderte von politischen Gefangenen in den Gefängnissen des Landes festgehalten werden. Einem Bericht zufolge, den das Menschenrechts-Dokumentationszentrum Anfang des Jahres vorgelegt hat, werden Belege genannt, dass Gefangene an extremer Überfüllung der Gefängnisse, schlechten hygienischen Verhältnissen und schlechter Wasserqualität, ungeeigneten medizinischen Einrichtungen, Gewalt gegen politische Gefangene und chronischen Misshandlungen von Insassen durch die Machthaber leiden.
Farzad wurde es nicht erlaubt, den Iran zu verlassen, aber er floh heimlich aus dem Land und kam im August diesen Jahres nach Europa – viele seiner Verwandten bleiben im Iran und er redet nicht gerne über sie aus Angst, sie könnten Repressalien erleiden. repercussions.
„Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf aus Angst, ich werde verhaftet,” sagte er. „Ich weiß, dass das nicht real ist, aber das Gefühl kommt immer wieder zurück.”

 

Parias Vater ist ein bekannter politischer Gefangener, Saleh Kohandel, der erstmals inhaftiert wurde als sie gerade erst vier Jahre alt war.

 

Die vier Jahre alte Paria Kohandel mit ihrem Vater Sahel. „In 10 Jahren konnte ich meinen Vater nur drei Mal umarmen und seine Hand halten,“ sagte sie gegenüebr MailOnline.

„Ich weiß, dass diese Erinnerungen und Gefühle nicht weggehen werden. Sie werden erst verschwinden, wenn das Regime gestürzt sein wird.“ Farzad sagte, dass er mit den Medien rede, um eine Stimme für die Menschen zu sein, die keine eigene Stimme haben – für die, die gestorben sind und andere, die vom Regime unterdrückt werden.

Auch Paria liegt sehr daran, zu reden, auch sie ist aus dem Iran geflohen und sprach an der Seite von Farzad gestern per Videokonferenz mit MailOnline.
Sie ist eine Aktivistin, die in Teheran geboren wurde und ihr Vater ist ein bekannter politischer Gefangener, Saleh Kohandel, der erstmals verhaftet wurde, als sie gerade vier Jahre alt war. Gegenwärtig verbüßt er eine 10-jährige Haftstrafe im Gohardasht-Gefängnis, weil er sich gegen das Regime ausgesprochen hat und sie besuchte ihn in der Haft.
Saleh wurde zunächst für fünf Monate inhaftiert und ein zweites Mal als sie sechs Jahre alt war. Sie sagt, dass, als sie gerade neun Jahre alt war, die Revolutionären Garden in ihr Haus eingebrochen seien und ihr eine Waffe an den Kopf gehalten haben, bevor sie ihren Vater ein letztes Mal gefangennahmen.
Sein Prozess vor Gericht dauerte nur wenige Minuten, aber wegen der Medienbeteiligung, darunter Interviews mit seiner Ehefrau – Parias Mutter – sei er nicht hingerichtet wurden, sagte sie.

Im Jahr 2008 zogen Parias Mutter und ihre ältere Schwester nach Ashraf, kurz bevor ihr Onkel und ihre Tante dort getötet wurden. „Von der Zeit als ich 12 war bis heute habe ich meinen Vater im Gefängnis alleine besucht,“ sagte Paria. „Das war schwer für mich, weil mich niemand begleitet hat. Ich sah, wie Kinder ihre Väter und Mütter besuchten und die weinten, weil sie sie nur einmal in fünf oder sechs Jahren sehen konten. Ich war eins von ihnen.
In 10 Jahren konnte ich meinen Vater nur drei Mal umarmen und seine Hand halten.“
Raria beschrieb die Haftbedingungen so: “Es war überfüllt. Mein Vater schrieb in einem Brief, dass er in manchen Nächten in der Toilette schlief.”
Paria selbst war als Mädchen an den Unruihen von 2009 beteiligt und hatte ihre Klassenkameradinnen ermuntert, an den Demonstrationen teilzunehmen.
Als sie gefragt wird, ob sie Angst hatte, als sie aus dem Iran floh, sagte sie: „Ja, aber mir macht nichts mehr Angst als dieses Regime. Ich habe gesehen, was mit meinem Vater und mit anderen Menschen geschehen ist.“ Sie hat Angst, dass ihr Vater hingerichtet wird oder hinter Gittern stirbt.
Der Internationalen Kampagne für Menschenrechte im Iran zufolge sind seit der Wahl von 2009 mindestens 6.000 Menschen verhaftet worden, weil sie „friedlich für ihre Ansichten protestiert haben, für Reformen eingetreten sind oder mit Personen Kontakt hatten, die solche Ansichten haben.”
Sie erklärt, dass Folter routinemäßig, systematisch und weit verbreitet angewandt wird und dass lange Einzelhaft und Isolationshaft und die Verweigerung des Zugangs zu Anwälten mit zum Problem beitragen.
Die Organisation sagt, dass die Hinrichtungsserie seit 2009 intensiviert wurde und erklärt, dass Frauen sich rechtlichen Diskriminierungen ausgesetzt sehen, darunter die Pficht, ihrem Ehemann zu gehorchen, Reisebeschränkungen und Beschränkungen beim Recht auf Arbeit.
Frauen können bestraft werden, wenn sie gegen die islamischen Kleidungsregeln verstoßen und den obligatorischen Hijab in der Öffentlichkeit nicht entsprechend den Vorschriften tragen.
Paria erklärte: „Im Iran ist der aufgezwungene Hijab das größte Problem für die Frauen.”
Sie sagt, sie hat gesehen, wie eine Freundin verprügelt wurde, weil sie ihren Schleier nicht ordnungsgemäß getragen hatte.
Die Internationale Kampagne für Menschenrechte im Iran äußert außerdem ihre Sorgeüber u.a. ethnische und religiöse Diskriminierung, religiöse Freiheit, die Freiheit der Me8nungsäußerung und das Recht auf Bildung.
Farzad und Paria werden an der Versammlung gegen die Todesstrafe teilnehmen, die heute um 14.30 Uhr im Palais Brongniart begangen wird. Pumla Makaziwe, die Tochter von Nelson Mandela, wird unter den Teilnehmern sein.